04. Juli 2019
Grete Stern, geboren am 26. Mai 1920 in Mistelbach, feierte heuer ihren 99. Geburtstag in Bat Yam in Israel. Christa Jakob, seit vielen Jahren Stadt- und Zeitreiseführerin in Mistelbach, durfte einige Tage mit der für ihr hohes Alter bewundernswerten Frau verbringen, die trotz vieler Schicksalsschläge ihr Leben mit viel Humor gemeistert hat. Grete Stern hält ihren Geist mit Computerarbeit, durch E-Mails mit der ganzen Welt verbunden zu sein, dem Lesen von Büchern und sonstigen Aktivitäten wach. Im Namen von Bürgermeister Dr. Alfred Pohl überreichte Christa Jakob auch die besten Glückwünsche seitens der StadtGemeinde Mistelbach sowie einen im Mistelbacher Pfarrbrief veröffentlichten Artikel.
In dieser für Christa Jakob viel zu kurzen Zeit waren die Kinder von Grete Stern bemüht, ihr Einiges zu zeigen, besonders das beeindruckende Jerusalem mit Yad Vashem, die Holocaustgedenkstätte sowie die neu renovierte Grabeskirche.
Für eine besondere Überraschung sorgte der Mistelbacher Elidad Ariav (vormals Gelbard), Sohn des letzten Kantors von Mistelbach, mit einem Besuch. Er ist bereits 97 Jahre alt und würde noch einmal gerne nach Mistelbach kommen, wo er bis 1938 eine gute Zeit verbracht hatte. „Unsere Gespräche, auch die mit Grete Stern, verliefen im Mistelbacher Dialekt, es war ein Gefühl daheim zu sein. Ich habe viele Eindrücke von dieser Reise mitgenommen, Umarmungen, Herzlichkeit und Dankbarkeit für die errichtete Gedächtnisstätte in Mistelbach“, berichtete Christa Jakob von ihrer Reise.
Kurz vor ihrer Abreise bekam Christa Jakob noch einen Brief überreicht, der auf ergreifende Art und Weise schildert, wie bedeutsam es ist, dass die Geschichte der jüdischen Gemeinde aus Mistelbach mit dem neuen Museum der Nachwelt erhalten bleibt:
„Liebe Frau Christa Jakob, Schalom!
Wir sind die Enkelkinder von Arjeh und Batya Gelbard, die von 1928 bis zu ihrer Vertreibung Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Mistelbach waren, und schließlich 1941 und 1942 in Jugoslawien von den Nazis brutal ermordet wurden. Glücklicherweise, und Gott sei Dank, ist es ihren drei Kindern Asher, Elidad und Tamar, unseren Eltern, geglückt, Österreich rechtzeitig zu verlassen, und damit zu überleben und nach Palästina-Israel zu entkommen.
Wir möchten Ihnen sehr herzlich für alle Ihre Bemühungen danken, das Andenken an die frühere jüdische Gemeinde in Mistelbach zu bewahren. Wir wissen aus den Erzählungen unserer Eltern, dass die Zeit, die sie in Mistelbach verbracht haben, für sie von Bedeutung war, auch wenn sie nicht immer leicht war, insbesondere in den letzten Jahren vor dem zweiten Weltkrieg.
Wir sind sehr dankbar für Ihren unermüdlichen Einsatz, für Ihre Bemühungen, die Geschichte der jüdischen Gemeinde aus Mistelbach wieder in Erinnerung zu rufen, eine immense Arbeit, die schließlich in Ihrem Buch „Verdrängt und Vergessen“ mündete, sowie in die erste von Ihnen zusammengestellte Ausstellung und schließlich in die permanente Ausstellung jetzt am Friedhof.
Dank Ihrer wundervollen Arbeit können heute Menschen auf ansprechendere Weise über die ehemalige jüdische Gemeinde aus Mistelbach erfahren. als nur durch Lektüre trockener Fakten aus alten Archiven. Sie haben eine vielleicht kleine aber wichtige Gedenkstätte erschaffen – ein Yad Vashem (wörtlich heißt das: ein Denkmal und ein Name) an diese Gemeinde. Ohne Ihre Anstrengungen wären die Angehörigen dieser Gemeinde in Vergessenheit geraten, gerade auch bei den ehemaligen nichtjüdischen Nachbarn.
Wir hoffen, dass viele Besucher, auch aus unseren Familien, zu Ihnen und in Ihr Museum kommen und Ihnen ihre Anerkennung und Dankbarkeit zeigen.“